Warum diese Regeln? Darum!

Im Lockdown in Frankreich leben

Am Ende meines Geburtstags, dem 29. Oktober um 23.59 Uhr, trat der zweite Lockdown in Frankreich in Kraft, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.

Früher an diesem Abend hatte ich meinen Geburtstag mit meiner Familie im Internet gefeiert, denn wir wohnen in drei verschiedenen Ländern, in Norwegen, in Deutschland und in Frankreich.

Ich finde, wenn die Bekämpfung der Pandemie es notwendig macht, unsere Freiheiten einzuschränken, und unser Leben dadurch beeinträchtigt wird, sollte das Ziel sein, unseren Alltag so angenehm wie möglich zu gestalten!

Und damit mein Geburtstag so schön wie möglich sein würde, habe ich meine Familie zu einem Kuchenbuffet in virtueller Runde eingeladen, zu dem jeder einen Kuchen mitgebracht hat. Wir haben zusammen Kaffee getrunken und Kuchen gegessen, wir haben uns unterhalten und zusammen gelacht. Es war ein sehr schöner Abend!

Mein Geburtstag mit meiner Familie in virtueller Runde

Den Alltag der Menschen so angenehm wie möglich zu gestalten, während sie unter den Einschränkungen aufgrund der Pandemie leben müssen. Ich frage mich, ob ein solcher Gedanke jemals Präsident Macron gestreift hat?

Die Regeln des Lockdowns, die der Präsident angeordnet hat, lassen mich eher an ein Strafvollzugssystem denken.

Im ersten Monat des Lockdowns seit Ende Oktober, waren wir im Haus eingesperrt, mit der Erlaubnis uns eine Stunde am Tag an der frischen Luft zu bewegen, im Umkreis von einem Kilometer um unsere Wohnung herum. Das erinnert mich an die täglichen Spaziergänge von Gefangenen im Gefängnishof!

Eine Erlaubnis nur eine Stunde Spazierengehen zu dürfen, unter Androhung eines Bußgeldes von 135 Euro, das ist kein entspannter Spaziergang. Man muss laufend auf die Uhr gucken. Trotzdem ist es mir mehrmals passiert, dass ich plötzlich festgestellt habe, dass mir nur noch wenig Zeit blieb, um rechtzeitig wieder nach Hause zu kommen. Da bleibt nur eins: man muss versuchen schnell zu laufen, falls die Gendarmen [1]Die Gendarmen, die zum Militär gehören, haben in kleinen Städten und auf dem Land die Funktion der Polizei. irgendwo auf der Strecke einen Kontrollposten errichtet haben.

Seit dem 28. November ist das Recht spazierenzugehen auf drei Stunden und einen Umkreis von 20 Kilometern erweitert worden.

Warum hat die Regierung am Anfang eine Stunde im Umkreis von einem Kilometer gewählt, und jetzt drei Stunden und einen Umkreis von 20 Kilometern? Warum nicht zwei Stunden in einem Umkreis von vier Kilometern, oder welche Wahl auch immer für die Zeit und den Umkreis? Ich verstehe es nicht.

Von den drei Ländern, in denen meine Familie wohnt, ist Frankreich das einzige Land, das für seine Bevölkerung eine Ausgangssperre angeordnet hat. Und weder in Norwegen, noch in Deutschland muss man jedes Mal, wenn man sein Haus verlässt eine Ausnahmegenehmigung ausfüllen und unterschreiben.

Ausnahmegenehmigung für den Aufenthalt außer Haus

Wir selbst sind die Wächter dieses Systems der Ausgangssperre. Wir müssen bei jedem Verlassen des Hauses aufpassen, dass wir die richtige Bescheinigung verwenden, dass diese korrekt ausgefüllt ist. Aber letztendlich stehen wir natürlich unter der Bewachung der Gendarmen, die jederzeit auftauchen können, um uns zu kontrollieren. Ein Fehler oder eine Vergesslichkeit kann schnell teuer werden, mit einem Bußgeld von 135 Euro für den ersten Verstoß gegen die Regeln.

Falls man vorhat, mit dem Hund spazieren zu gehen oder zu joggen, kann man eine elektronische Überwachung auf dem Handy aktivieren, die mit einem Warnton Bescheid gibt, wenn man dabei ist, die Grenze des erlaubten Gebietes zu überschreiten. Alternativ kann man natürlich den „Kreis der Freiheit“ auch ausdrucken und in die Tasche stecken, wo sich bereits die Ausnahmegenehmigung befindet.

Der Umkreis von einem Kilometer um die Wohnung [2]
https://covidradius.info/

Aber ich habe noch ein Papier in meiner Tasche: Den Stadtplan mit der „roten Zone“ in unserer Stadt, wo das tragen einer Maske Pflicht ist, nach einer Verordnung des Präfekten von Finistère am 21. Oktober 2020, und seit dem 16. November mit verlängerter Geltungsdauer bis zum 16. Dezember. [3]https://twitter.com/LeRelecqKerhuon/status/1318842736775225345

Mein Stadtplan mit der “roten Zone

Ich kenne mich gut aus in unserer Stadt, wo ich seit mehreren Jahren täglich und zu verschiedenen Zeiten mit meinem Hund spazieren gehe, auch in der Zone, die seit dem 21. Oktober rot markiert ist. Mir begegnen wenig Leute, und es gab noch nie ein Problem, die Abstandsregel während der Coronapandemie einzuhalten. Ich frage mich, wo sich all diese Leute befinden, die ich mit meiner Maske beschützen muss?

Es deprimiert mich, dass ich beim Spaziergang in unserer Stadt nicht mehr frei atmen kann, ohne zu verstehen, warum man das Tragen der Maske in einem bestimmten Gebiet unter der Androhung eines Bußgeldes von 135 Euro zur Pflicht gemacht hat.

Ich versuche, so weit es geht, die rote Zone zu vermeiden, indem ich mich an meinem Stadtplan orientiere.

Inwieweit hat Präsident Macron die psychischen Folgen der verschiedenen Maßnahmen und besonders des Lockdowns in Betracht gezogen?

Den Lockdown ertragen zu müssen, ist für jeden schwer, aber für 16 % unter uns ist der Alltag im Lockdown noch schwerer zu ertragen, da er bedeutet ohne Kontakt zu anderen Menschen eingesperrt zu sein.

In Frankreich leben 10,5 Millionen Menschen allein, das sind 16 % der Bevölkerung. Und 2,4 Millionen davon sind 75 Jahre oder älter [4]https://www.insee.fr/fr/statistiques/4478728?sommaire=4476925#titre-bloc-8

Auf der neuen Ausgabe der Ausnahmegenehmigung für den Aufenthalt außer Haus, der „Attestation de déplacement dérogatoire“ vom 27. November 2020, muss man diesen Absatz ankreuzen, um die Erlaubnis zu haben, an die frische Luft zu gehen.

Bewegung im Freien oder in Richtung eines Ortes im Freien, ohne Wechsel des Wohnortes, begrenzt auf drei Stunden täglich und in einem maximalen Umkreis von 20 Kilometern um den Wohnsitz, verbunden mit physischer Aktivität oder individueller Freizeit, unter Ausschluss jeglicher gemeinschaftlicher sportlicher Aktivitäten und jedweder Nähe zu anderen Personen, entweder Spazierengehen nur mit Personen desselben Haushalts, oder um den Bedürfnissen der Haustiere gerecht zu werden.“ [5]« Déplacements en plein air ou vers un lieu de plein air, sans changement du lieu de résidence, dans la limite de trois heures quotidiennes et dans un rayon maximal de vingt kilomètres … Continue reading [6]https://www.gouvernement.fr/sites/default/files/27-11-2020-attestation-de-deplacement-derogatoire.pdf

Wenn man seine Ausnahmegenehmigung ausfüllt, muss man also unterschreiben, dass man, wenn man sein Haus verlässt, dies unter „Ausschluss … jedweder Nähe zu anderen Personen“ tut.

Für Menschen, die allein leben, ob es sich um Rentner oder Personen handelt, die im Homeoffice arbeiten, bedeutet das, dass sie den ganzen Tag allein eingeschlossen sind, und sogar wenn sie rausgehen, sind sie dazu verpflichtet, keinen Kontakt zu anderen Personen zu haben.

Spaziergang am Sonntag, dem 29. November 2020. Ausserhalb und innerhalb der roten Zone unserer Stadt.

Kein Spaziergang mit einer Freundin, einem Freund oder einem Familienmitglied, dass in einer anderen Wohnung im lebt, nein, ein Spaziergang ist nur erlaubt „mit Personen desselben Haushalts“.

Ich habe Ratschläge gehört wie „man kann trotzdem zu zweit spazieren gehen, denn eine Person kann ein bisschen vor oder nach der anderen Person laufen, und wenn man Gendarmen sieht, dann tut man so, als ob man sich nicht kennt…“.

Ich finde es empörend, dass erwachsene Einwohner, die allein leben, zu solchen Kriegslisten greifen müssen, um für einen kurzen Moment ihrer Isolierung und Einsamkeit zu entkommen!

Mit den Ausnahmegenehmigungen « Attestation de déplacement dérogatoire » oder « Justificatif de déplacement professionnel », mit der man aus beruflichen Gründen das Haus verlassen darf, ist es erlaubt, sich auch in engen Räumen aufzuhalten, wo das Risiko der Ansteckung mit dem Coronavirus bedeutend höher ist als im Freien. Wenn man eine Maske trägt, darf man mit dem Bus zum Einkaufen fahren. Und für den Transport zum Arbeitsplatz sind außer öffentlichen Verkehrsmitteln auch Fahrgemeinschaften erlaubt, mit bis zu vier Personen in einem Fahrzeug.[7]FAQ Covid-19 : transports et confinement | Ministère de la Transition écologique (ecologie.gouv.fr)

Aber zwei Freunden ist also nicht erlaubt, zusammen an der frischen Luft spazieren zu gehen, obwohl dort das Risiko der Ansteckung mit dem Coronavirus niedrig ist, vor allem wenn man eine Maske trägt.

Die Telefonnummern zum Nulltarif « L’aide à distance en santé pendant l’épidémie de COVID-19 »[8]https://www.santepubliquefrance.fr/a-propos/services/aide-a-distance-en-sante-l-offre-de-service, für telefonische Hilfe in Bezug auf die Gesundheit während der COVID-19 Epidemie, können nützlich sein für Menschen in Not, aber was man vor allem braucht ist persönlicher Kontakt und Gedankenaustausch mit Freunden oder anderen Menschen, die einem nahestehen.

Es scheint, dass in Deutschland Bundeskanzlerin Angela Merkel das Wohlbefinden der Einwohner besonders am Herzen liegt in dieser Zeit der Pandemie. Auf der Seite der Bundesregierung kann man folgendes lesen:

« Beschränken Sie sich beim Sport auf Aktivitäten allein oder zu zweit. Nutzen Sie die Zeit für Spaziergänge an der frischen Luft – das ist gut für Körper und Geist. » [9]Was im Winter wichtig ist (bundesregierung.de)

Was für eine gute Nachricht für die Menschen, die in Deutschland allein leben! Es gibt keine Ausgangssperre und man darf sich während eines gemeinsamen Spaziergangs mit einer anderen Person unterhalten!

In Frankreich, frage ich mich, ob es keine klinischen Psychologen oder Psychiater unter den Beratern von Präsident Macron gibt, bei denen er sich informieren könnte über die psychischen Folgen der Isolation bei alleinlebenden Menschen während des Lockdowns?

Für mich ist es völlig unverständlich, warum die französische Regierung diese Maßnahmen ergriffen hat, die die Isolation und die Einsamkeit der alleinlebenden Menschen verstärken und schwerwiegende Folgen für die psychische Gesundheit dieser Menschen haben können.

In der Kindererziehung kann eine Erklärung den Kindern helfen, die Regeln zu akzeptieren, die man ihnen auferlegt.

Sollte dies nicht vor allem auch für erwachsene Einwohner eines Landes gelten?

Und wenn man keinen guten Grund hat, um eine Regel zu rechtfertigen, dann lässt man sie fallen, oder nicht?

References

References
1 Die Gendarmen, die zum Militär gehören, haben in kleinen Städten und auf dem Land die Funktion der Polizei.
2
https://covidradius.info/
3 https://twitter.com/LeRelecqKerhuon/status/1318842736775225345
4 https://www.insee.fr/fr/statistiques/4478728?sommaire=4476925#titre-bloc-8
5 « Déplacements en plein air ou vers un lieu de plein air, sans changement du lieu de résidence, dans la limite de trois heures quotidiennes et dans un rayon maximal de vingt kilomètres autour du domicile, liés soit à l’activité physique ou aux loisirs individuels, à l’exclusion de toute pratique sportive collective et de toute proximité avec d’autres personnes, soit à la promenade avec les seules personnes regroupées dans un même domicile, soit aux besoins des animaux de compagnie. »
6 https://www.gouvernement.fr/sites/default/files/27-11-2020-attestation-de-deplacement-derogatoire.pdf
7 FAQ Covid-19 : transports et confinement | Ministère de la Transition écologique (ecologie.gouv.fr)
8 https://www.santepubliquefrance.fr/a-propos/services/aide-a-distance-en-sante-l-offre-de-service
9 Was im Winter wichtig ist (bundesregierung.de)

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