Category: Marokko

Erinnerungsbilder aus Marokko 6 – Minzetee kurz vor Sonnenuntergang

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Petites histories du Maroc 6 – Thé à la menthe juste avant le coucher de soleil

Auf einem zweitägigen Ausflug von Agadir nach Essaouira haben wir auf dem Hin- und Rückweg eine Pause in einem Restaurant im Ortszentrum von Tamanar gemacht. (Bilder aus Tamanar, 5. und 6.)

6. Bilder aus Tamanar – Minzetee kurz vor Sonnenuntergang

Ein friedliches Stündchen für mich allein am Tisch vor dem Restaurant in Tamanar. Ich genieße ein letztes Glas Minzetee, bevor wir gleich weiterfahren.

Meine Kinder sind damit beschäftigt einzelne Katzen näher zu betrachten. Ein kleines Katzenkind mit entzündetem Auge erweckt ihr Mitleid. Wie es dieser Katze wohl weiter ergehen wird, überlegen die beiden.

Unser marokkanischer Freund, der uns auf unserer Fahrt nach Essaouira begleitet, ist unterwegs, um am Auto etwas kontrollieren zu lassen.

Es ist kurz vor Sonnenuntergang. Auf der Straße vor dem Restaurant herrscht reges Treiben. Touristenbusse auf dem Weg zurück in Richtung Agadir, Pkws, hochbeladene Lastwagen und dazwischen Leute aus der näheren Umgebung auf dem Weg nach Hause.

Drei Mädchen ungefähr im Alter meiner Tochter, mit Schulranzeln auf dem Rücken, kommen am Restaurant vorbei. Sie unterhalten sich eifrig über irgendetwas. Als sie meine Kinder entdecken, die immer noch mit ihren Katzenbeobachtungen beschäftigt sind, bleiben sie kurz stehen. Die marokkanischen Mädchen lächeln und winken. Meine Kinder winken zurück. Ein kurzer Augenblick marokkanisch-norwegischer Begegnung. Die Kinder lachen einander freundlich an. Dann gehen die kleinen Marokkanerinnen weiter.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite kommt ein Junge auf einem Esel angeritten. Hinter ihm kommt ein Mann auf einem Eselkarren. Als sie ein geparktes Auto passieren müssen, werden die beiden kurz getrennt. Der Junge hält an und wartet, bis der Mann eine Lücke im starken Autoverkehr gefunden hat und ihn wieder einholt. Vater und Sohn auf dem Weg von der Feldarbeit nach Hause, denke ich, als ich die beiden betrachte.

Aus der entgegengesetzten Richtung kommt jetzt ein Mann in einer dunkelgrünen Djellaba am Straßenrand entlang. Er begleitet fünf kleine Kinder, die alle einen Schulranzel tragen. Ein kleiner Junge von ungefähr drei oder vier Jahren geht an der Hand von einem etwas größeren Mädchen. Auch er trägt einen kleinen Rucksack auf dem Rücken.

Ich sehe der Gruppe nach, wie sie langsam aus meinem Blickfeld verschwindet. Ein Vater der seine Kinder von der Schule sicher nach Hause bringt, denke ich…

Kulturunterschiede… Gemeinsamkeiten…

Wenn jemand den Mann und mich fragen würde, was wir uns als das Wichtigste für die Zukunft unserer Kinder wünschen… Ob wir nicht ähnlich antworten würden? Ich denke ja…

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Erinnerungsbilder aus Marokko 5 – Tagine mit Katzen

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Petites histoires du Maroc 5 – Tajine avec chats

Auf einem zweitägigen Ausflug von Agadir nach Essaouira haben wir auf dem Hin- und Rückweg eine Pause in einem Restaurant im Ortszentrum von Tamanar gemacht. (Bilder aus Tamanar, 5. und 6.)

5. Bilder aus Tamanar – Tagine mit Katzen


Im Zentrum von Tamanar sitzen wir draußen vor einem Restaurant an einem Tisch und warten auf unser Mittagessen. Acht Katzen schleichen ungeduldig miauend unter unseren Stühlen herum. Sie warten auch. Aber im Gegensatz zu uns wissen sie nicht, was gleich auf den Tisch kommt…

Wir haben eine Hähnchen-Tagine bestellt, direkt in der Küche. Damit wir entscheiden konnten, welche Tagine-Größe für uns die richtige ist.

Die Kellnerin stellt ein Schälchen mit grünen Oliven auf den Tisch. Dazu gibt es als Einstimmung auf die Hauptmahlzeit frischgebackenes marokkanisches Pfannenbrot.

Die Katzen miauen noch lauter. Oliven und Brot war wohl nicht gerade das, worauf sie gehofft hatten. Die einzige schwarze Katze der Versammlung steht und betrachtet uns aus ein paar Metern Abstand. Zu unserem Erstaunen miaut sie nicht wie die anderen. Sie piepst wie ein Vogel… Wir überlegen, ob es wohl in der Welt der Katzen auch von Vorteil ist Fremdsprachenkenntnisse zu haben…

Die Tagine besteht aus Hähnchen mit Gemüse. Unter den Katzen steigt die Unruhe. Eine große rotbraun-getigerte Katze teilt Pfotenschläge aus und sichert sich damit einen guten Platz direkt vor der Tischkante…

Wir meistern die marokkanische Kunst, Fleisch und Gemüse mit Brotstückchen aus der Tagine aufzunehmen, leider noch nicht gut genug. Und bitten um Gabeln…

Die rotgetigerte Katze verschwindet blitzschnell mit einem Knochen, den wir nach unten fallen lassen… So nach und nach wird es unter unseren Stühlen ruhiger. Eine grauweiße Katze nagt die knorpeligen Enden von einem Knochen ab und lässt den Rest liegen…

Wir sind uns einig, dass unser Anteil der Tagine jedenfalls gut geschmeckt hat. Jetzt warten wir auf Minzetee…


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Erinnerungsbilder aus Marokko 4 – Begegnung auf dem Souk von Aït Baha

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Petites histoires du Maroc 4 – Rencontre au souk d’Aït Baha

4. Begegnung auf dem Souk von Aït Baha

Wir sind auf dem Souk von Aït Baha, einer kleinen Stadt zwischen Tafraoute und Agadir.

Ich höre einen Hahn krähen. Ich denke an meinen Hahn zu Hause in Norwegen und will mir gern mal dieses marokkanische Exemplar angucken.

Ich finde ihn sehr hübsch, ganz bunt gefiedert. Ein Foto würde ich von ihm gern machen.

“Andi dik fi norvège…”. Ich versuche mein Anliegen auf Marokkanisch zu erklären… *)

“Do you speak English?” Der Besitzer des Hahns wendet sich an mich auf Englisch.

Das kann ich doch viel besser als Marokkanisch! Hocherfreut fange ich an, dem Mann auf Englisch von meinen Hühnern zu erzählen…

Der Mann guckt mich ratlos an…

Er kann ungefähr genauso viel Englisch wie ich Marokkanisch, stellt sich heraus.

Ein anderer Marokkaner übersetzt mein Anliegen…

Der Verkäufer lächelt…

Ich darf nicht nur den Hahn fotografieren. Der Hahn-Eigentümer und seine Souknachbarn öffnen zur Freude meiner Kinder auch noch die Kartons mit den kleinen Küken. Die sind jetzt auf dem Film meiner Tochter verewigt…

Auf dem Souk von Aït Baha (2003)

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(*) Mit “Andi dik fi norvège…” wollte ich sagen: “Ich habe einen Hahn in Norwegen…

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Erinnerungsbilder aus Marokko 3 – Bilder vom Sprachenlernen

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Petites histoires du Maroc 3 – Images de l’apprentissage de la langue

3. Bilder vom Sprachenlernen


Ich freue mich immer schon darauf, wenn unsere Zimmerfrau kommt.

“Sabah el cheir” habe ich sie schon am ersten Tag begrüßt.

“Sabah el noor” antwortete sie lächelnd. “Kannst Du marokkanisch?”

“Shwiya, Shwiya!” Nur ein bisschen.

Jedes Mal, wenn sie kommt, unterhalten wir uns ein wenig, während sie ihre Arbeit erledigt. Ich räume die Stühle aus dem Weg, sie fegt. Wir verständigen uns darüber, dass wir beide Kinder haben und tauschen Informationen über unsere Kinder aus, soweit das bei meinen begrenzten Sprachkenntnissen möglich ist. Sie lacht oft herzlich über meine Sprechversuche. Aber mit Hilfe meines kleinen Büchleins über “Moroccan Arabic” und “Zeichensprache” geht es doch eigentlich ganz gut…

Beim Einkaufen versuche ich es auch. “Bghina khubz wa halib”. Ich bekomme Brot und Milch und der Verkäufer antwortet sichtlich erfreut mit einem längeren Satz auf Marokkanisch, den ich natürlich nicht verstehe. Also erkläre ich, dass ich versuche Marokkanisch zu lernen, aber so viel noch nicht kann. Wir unterhalten uns ein Weilchen auf Englisch.

“In Agadir sprechen wir auch noch eine andere Sprache, außer Marokkanisch”, erklärt er.

“Tamazight”, sage ich.

“Kannst Du Tamazight?” Ein Kollege des ersten Verkäufers ist dazugekommen.

Ich antworte mit dem bis dahin einzigen Satz, den ich sprechen kann: “Manik an tgit?”- Wie geht es Dir? –

Dieser große Wortschatz führt zu gemeinsamen fröhlichen Lachen. Aber ich möchte doch gern noch etwas Tamazight lernen. Als ich den Laden verlasse, habe ich meinen Wortschatz um drei Wörter erweitert: “Iwi”, “Illi” und “Inna”…

Nun ja, alle fangen mal klein an, oder nicht? Inzwischen kann ich auch schon gutes Essen loben: “Immim bahra!” Oder im Fischrestaurant: “Mimm Islman!”…

Frühstück in unserem Appartement (2003)

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Erklärung der arabischen Wörter und Ausdrücke:

sabah صباح = (der) Morgen

cheir خير = gut, vorzüglich

noor نور = (das) Licht

sabah al cheir صباح الخير = Guten Morgen!

sabah al noor صباح النور = wörtlich: Einen Morgen des Lichts! (als Antwort auf sabah al cheir)

shwiya (marokk.-arab.) شوي = (ein) wenig, ein bisschen

bghina (marokk.-arab.) بغين = wir möchten

khubz خبز = Brot

wa و = und

halib حليب = Milch

Und hier die drei Wörter auf Tamazight aus dem Lebensmitteladen in Agadir:

Iwi = mein Sohn

Illi = meine Tochter

Inna = Mama

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Erinnerungsbilder aus Marokko 2 – Bilder vom Einkaufen

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Petites histoires du Maroc 2 – Images du shopping

2. Bilder vom Einkaufen

Es tut gut sich hinsetzen zu können. In einem kleinen Kleiderladen im Souk von Marrakech hat der Händler für uns drei Hocker herbeigeholt. Sein Gehilfe kommt kurz darauf mit Minzetee. Wir trinken genüsslich Tee, während der Händler uns Kaftane und Blusen zeigt und vor uns auf dem Verkaufstisch ausbreitet.

Unsere Gastgeberin, die uns begleitet, übersetzt und erklärt unsere Wünsche auf Marokkanisch.

Meine zehnjährige Tochter in einem leuchtend roten Kaftan. Sie betrachtet sich im Spiegel und strahlt.

Der Händler lächelt und sagt etwas auf Marokkanisch. “Du hast eine hübsche Tochter”, übersetzt unsere Begleiterin.

“Shukran!” Der Kaftan steht ihr wirklich gut.

“Wie heißt sie?” Ich sage dem Händler ihren Namen.

Der Händler lacht freundlich. “Ich finde, sie sollte “Fatima” heißen”.

Wir lachen zusammen. Meine Tochter ist einverstanden. Den roten Kaftan möchte sie am liebsten gleich anbehalten und der Händler darf sie gern Fatima nennen.

Ein weiteres Glas Tee. Der Gehilfe des Händlers ist unterwegs und bringt gleich darauf noch mehr Blusen zur Auswahl. Richtig angenehm so einzukaufen.

Am Schluss haben wir zwei Blusen und den Kaftan für meine Tochter ausgewählt. Wir einigen uns nach ein bisschen Verhandeln auf den Preis, trinken unseren Tee aus und gehen ausgeruht weiter.

Warum bietet mir eigentlich bei Lindex oder Hennes & Mauritz in Norwegen niemand einen Tee an und bringt mir die Kleidungsstücke zur Auswahl? Dort springe ich selbst zwischen Kleiderständern und Ankleidekabine hin-und her, bin zum Schluss ganz erledigt und beim Preis habe ich schon gar nichts zu melden. Take it or leave it…

Ich freue mich schon auf den nächsten Minzetee im Souk.



Erinnerungsbilder aus Marokko 1

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Petites histoires du Maroc 1


Anfang 2003, als meine Kinder 10 und 12 Jahre alt waren, haben wir unsere zweite Reise nach Marokko gemacht.

Vor unserer Abreise von Agadir nach Marrakesch

Nach unserer Rückkehr nach Norwegen, habe ich sieben kleine Geschichten über die Eindrücke unserer Reise geschrieben.

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Erinnerungsbilder aus Marokko

Vor einer Woche sind meine beiden Kinder und ich aus Marokko zurückgekommen. Gestern habe ich unsere Filme zum Entwickeln gebracht. Wir sind sehr auf unsere Fotos gespannt.

Aber die Fotos werden nur einen kleinen Teil unserer Erlebnisse wiedergeben. In unserer Erinnerung leben viele Bilder…

– von den Menschen, die uns begegnet sind…

– von der herzlichen Gastfreundschaft, die ursprünglich fremde Menschen uns entgegengebracht haben…

– von der beeindruckenden Landschaft zwischen Agadir und Marrakesch. Im Vordergrund grüne Weiden auf roter Erde. In der Ferne die schneebedeckten Gipfel des Atlasgebirges…

– von den unzähligen Tierherden mit ihren Hirten…

– von großen und kleinen Kindern mit Schulranzen entlang der Wege und Straßen…

Es sind viele Bilder, die in unserer Erinnerung leben. Ich werde versuchen, einige für Euch sichtbar zu machen.

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1. Bilder einer Taxifahrt


Am frühen Abend kommen wir am Bahnhof in Marrakesch an. Unser Taxi drängelt sich in der Dunkelheit durch den dichten Verkehr in der Innenstadt. Durch das offene Fenster des Fahrers dringen Abgasgeruch und ein vielstimmiges Hupkonzert zu uns herein. Rechts von uns sehen wir die erleuchtete alte Stadtmauer. Fußgänger versuchen im Chaos von Autos und Mopeds, und hin-und wieder auch Maultierkarren und Pferdekutschen, die Straße zu überqueren. Eine junge Frau steht mitten zwischen den Fahrzeugen und kommt nicht weiter.

Unser Taxifahrer macht häufige, aus unserer Sicht gewagte Überholmanöver, bremst, gibt wieder Gas, hupt. Dann stehen wir an einer Kreuzung fest.

Direkt neben uns in einem Auto, zum Greifen nahe, sitzt ein kleines, dunkelgelocktes Kind auf dem Schoss einer Frau auf dem Beifahrersitz. Es betrachtet uns ohne eine Miene zu verziehen. Wir lächeln ihm zu und winken. Das Kind versteckt sein Gesicht in den Kleidern der Frau. Dann dreht es sich wieder zu uns um. Die Frau und das Kind lächeln und winken zurück. Eine kurze Begegnung. Wir lassen die beiden hinter uns. Unser Taxi fährt weiter.

Nach ein paar hundert Metern ein Verkehrspolizist im weissen Mantel am rechten Straßenrand. Ein regungsloser Mann liegt auf der Straße, daneben ein umgestürztes Moped. “Ist er tot?”, fragen meine Kinder. Wir wissen es nicht. Vielleicht wartet heute Abend eine Familie vergeblich auf den Mann am Straßenrand.

Wir passieren viele dunkelgekleidete Mopedfahrer ohne Licht auch auf der unbeleuchteten Landstraße. Und Fußgänger, Fahrradfahrer und Maultierkarren. Kaum zu erkennen in der Dunkelheit. Ich denke an die reflektierenden Westen und die reflektierenden Anhänger für Jacken und Mäntel, die wir zu Hause in Norwegen benutzen. Und wünsche mir, ich könnte all diesen Menschen, die wir im Dunkeln passieren, reflektierende Westen schenken.